Studie zu Optimierung des Strommarktes

Geschrieben von Manuel Reuter , July 2, 2014

studie-zum-strommarkt.jpg Wind und Sonne sollen von zentraler Wichtigkeit für die Stromversorgung werden. Das Gutachten der Connect Energy Economics im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWI) ist der 1. Teil der Leitstudie Strommarkt. Sind Stromerzeugung oder Verbraucher flexibler, verbessert sich die Versorgungssicherheit. Dies ist der Grund für die kontinuierliche Weiterentwicklung des Stromarktdesigns. Flexibilität wird hierbei als wichtigstes Element verstanden. 

Alle Hemmnisse werden in der Studie identifiziert. Ein Beispiel wäre den Stromgroßhandel und die Regelenergiemärkte so zu gestalten, dass die erneuerbaren Energien leichter an die Märkte kommen.

Die Transformation der Stromversorgung hin zu einem flexiblen und zu großen Teilen auf erneuerbaren Energien basierenden System erfordert strukturelle Anpassungen in allen marktrelevanten Bereichen. Der Ausbau der erneuerbaren Energien und die fortschreitende Integration des europäischen Binnenmarktes haben in den letzten Jahren bereits zu einer Veränderung des Erzeugungsmixes, einer verringerten Auslastung von Teilen des konventionellen Kraftwerksparks und sinkenden Großhandelspreisen geführt. Die Bereinigung des Marktes um die entstandenen Überkapazitäten schreitet jedoch nur langsam voran. Gleichzeitig werden die Marktintegration der erneuerbaren Energien und die Aktivierung angebots- und nachfrageseitiger Flexibilitätsoptionen durch Hemmnisse im Markt- und Regulierungsdesign verzögert.

Die Erschließung von Flexibilitätspotenzialen ist jedoch für die Marktanpassung von entscheidender Bedeutung. Für einen sicheren, kostengünstigen Transformations- prozess sind deshalb Anpassungen des Markt- und Regulierungsdesigns notwendig. Ein zentrales Ziel der Weiterentwicklungen sollte sein, dass Preissignale die Marktteilnehmer unverzerrt erreichen. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass die Anreize für individuelle Marktakteure zu systemdienlichem Verhalten führen, und dass ein kostenminimaler Mix an Flexibilitätsoptionen erreicht wird. Insbesondere lastseitige Flexibilität kann nur dann aktiviert werden, wenn Nachfrager Zugang zu Knappheitssignalen des Marktes erhalten.

Eine systemdienliche Fahrweise erneuerbarer Energien kann ebenfalls durch Marktpreissignale angereizt werden. In diesem Sinne muss das Markt- und Regulierungsdesign auch einen diskriminierungsfreien Zugang für Nachfrager und der erneuerbare Energien zu allen Teilmärkten ermöglichen. Darüber hinaus sollten Designänderungen dazu beitragen, dass Hemmnisse an den Grenzen der Teilmärkte beseitigt werden, um Ausgleichsgeschäfte und die Berücksichtigung von Opportunitäten zwischen den Märkten zu ermöglichen. Das gilt insbesondere für das Zusammenspiel von Spot- und Regelleistungsmärkten. Angesichts der steigenden Bedeutung der Kopplung des Stromsektors mit dem Wärme- und dem Verkehrssektor sollten auch hier die Voraussetzungen für eine opportunitätskostenbasierte Nutzung von Substituten geschaffen werden.

Zur Optimierung des Strommarktes in diesem Sinne steht eine Vielzahl von Weiterentwicklungsmöglichkeiten zur Verfügung, die geprüft werden sollten. Die in dieser Studie diskutierten Maßnahmen zeichnen sich durch eine relativ schnelle Umsetzbarkeit aus und sind als möglichst wenig invasive Eingriffe angelegt. Besonders hervorzuheben sind die Überprüfung der Anreize zum aktiven Bilanzkreismanagement und die Verkürzung der Ausschreibungszeiträume und Produktlaufzeiten an den Regelleistungsmärkten.

Ob nach einer Optimierung des Markt- und Regulierungsdesigns eine zusätzliche Ergänzung des Strommarktes um Kapazitätsmechanismen zur Sicherung der Versorgung notwendig ist, kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht festgestellt werden. Eine vorübergehende Absicherung des Flexibilisierungsprozesses durch eine Reservelösung kann jedoch sinnvoll sein. Die Reservelösung sichert die Versorgung ab und bewahrt gleichzeitig die Funktionsfähigkeit des Strommarktes. Dadurch können weiterhin optimale Preissignale für angebots- und nachfrageseitige Flexibilitätsoptionen gesetzt werden. Die Reserve unterstützt folglich die kostengünstige Anpassung des Versorgungssystems an den Ausbau der erneuerbaren Energien. Wenn der Strommarkt ausreichend flexibilisiert ist, kann die Reserve ohne unerwünschte Rückwirkungen abgebaut werden.

Der Bedarf für zusätzliche, langfristige Marktdesignänderungen sollte kontinuierlich und unter Berücksichtigung dynamischer Marktreaktionen überprüft werden. Eine statische Analyse der Kapazitäts- und Lastentwicklung ist dagegen nicht ausreichend, um einen tiefen Regulierungseingriff zu rechtfertigen. Ebenfalls zwingend für die Beurteilung der Versorgungssicherheit ist die Berücksichtigung der Beiträge von flexiblen Lasten, erneuerbaren Energien und Interkonnektoren. Ohne die Berücksichtigung dieser Marktelemente droht der Aufbau signifikanter Überkapazitäten mit hohen Folgekosten für Verbraucher.
Die europäische Marktintegration sollte nicht nur bei der Bewertung der Versorgungssicherheit, sondern auch bei der Überprüfung der Binnenmarktkompatibilität von Designänderungen eine zentrale Rolle spielen. Zusätzliche Mechanismen dürfen dem Zusammenwachsen des europäischen Marktes nicht im Wege stehen, da andernfalls Kostensenkungspotenziale und Möglichkeiten zur Steigerung der Versorgungssicherheit blockiert werden. Kapazitätsmechanismen sollten außerdem immer auf die Sicherung der Versorgung und nicht auf Finanzierungsgarantien für Marktteilnehmer ausgerichtet sein, da andernfalls neue europarechtlich bedenkliche Subventionstatbestände auf Kosten der Verbraucher geschaffen werden können.

Im Gegensatz zu der beschriebenen Reservelösung beeinträchtigen Kapazitätsmärkte zudem die Flexibilisierung des gesamten Stromsystems. Insbesondere Präqualifikationsbedingungen und lange Ausschreibungszeiträume führen zu einer expliziten oder impliziten Benachteiligung von flexiblen Marktteilnehmern. Gleichzeitig beeinflus- sen Kapazitätsmärkte die Preisbildung am Spotmarkt. Durch die reduzierten Preisspitzen wird den Flexibilitätsoptionen ihre wirtschaftliche Grundlage weitestgehend entzogen. Sowohl die künstlichen Barrieren als auch die Preiseffekte führen schließ- lich zu einem suboptimal niedrigen Flexibilitätsniveau. Der Marktwert erneuerbarer Energien wird ebenfalls durch die reduzierten Preisspitzen gesenkt. Zusätzlich treten ineffizient niedrige Preise bei einer hohen EE-Einspeisung auf, da zu wenige Flexibi- litätsoptionen zur Verfügung stehen. Dadurch sinkt der Marktwert der erneuerbaren

Energien und somit ihre Wettbewerbsfähigkeit weiter. Die beschriebenen Effekte füh- ren unmittelbar zu einer Steigerung der EEG-Umlage zulasten der Verbraucher.
Tiefe Eingriffe in den Markt sind außerdem mit signifikanten Regulierungsrisiken verbunden. Diese sind zum einen mit der Komplexität der Eingriffe und der Anzahl der administrativ festzulegenden Parameter verbunden. Durch die Unsicherheit über zentrale Annahmen, wie beispielsweise der zukünftigen Jahreshöchstlast, ist die Wahrscheinlichkeit einer fehlerhaften Parametrisierung hoch. Die Unsicherheit schlägt sich sowohl in kurz- und langfristigen Zusatzkosten, als auch in einem erhöhten Nachregulierungsbedarf nieder. Diese Risiken sind bei zentralen Mechanismen tendenziell höher als bei dezentralen Varianten. Zudem entstehen Regulierungsrisiken durch eine Anfälligkeit der Mechanismen für Einflussnahme durch Politik und Interessensverbände. Diese Gefahr ist besonders hoch, wenn durch selektive Ele- mente Verteilungsfragen Eingang in den Designprozess finden.

Eine abschließende Bewertung der Kapazitätsmechanismen ist nicht Gegenstand dieser Untersuchung. Bevor der Bedarf für und die Eignung der Mechanismen nicht festgestellt ist, sollten jedoch zunächst Optimierungspotenziale im bestehenden System ausgeschöpft und ggf. zusätzlich minimalinvasive, reversible Mechanismen wie eine Reservelösung, die auf der bestehenden Netzreserve aufsetzt, zur Absicherung des Flexibilisierungsprozesses genutzt werden.

← Zurück

Kommentare

Keine Kommentare vorhanden

Kommentare nach three months wurden deaktiviert.